Internationale Hanns Eisler Gesellschaft (IHEG) e.V.

Unser Präsidiumsmitglied Friedrich Cerha verstorben

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Die Internationale Hanns Eisler Gesellschaft trauert um ihr geschätztes und langjähriges Präsidiumsmitglied, den Komponisten Prof. Dr. Friedrich Cerha. Er verstarb am 14. Februar 2023 im Alter von 96 Jahren in Wien.
Der österreichische Musikwissenschaftler em.o.Univ.-Prof. MMag. Dr. Hartmut Krones widmete Cerha folgenden  Nachruf:

Friedrich Cerha ✟

 

Am 14. Februar, drei Tage vor seinem 97. Geburtstag, starb unser Präsidiumsmitglied Friedrich Cerha, Doyen der Neuen Musik nicht nur in Österreich, sondern weit über dessen Grenzen hinaus. Seine hier nur in Ansätzen darstellbaren Verdienste begannen in den 1950er und 1960er Jahren, als Cerha als junger Geiger (sowie Musikerzieher und promovierter Germanist) immer zur Stelle war, wenn es um die Aufführung und Propagierung von Musik des 20. Jahrhunnderts ging. Wichtige künstlerische Anregungen hatte Cerha von seinem Lehrer Alfred Uhl, von den Mitgliedern des „Art-Club“, von dem Schönberg-Schüler Josef Polnauer sowie 1956–1958 bei den Darmstädtern Ferienkursen erhalten; und um dem Wiener Musikleben neue Impulse zuzuführen, gründete er 1958 gemeinsam mit Kurt Schwertsik das Ensemble „die reihe“, das vornehmlich Musik der „Wiener Schule“ sowie Musik der internationalen Avantgarde zur Aufführung brachte und nachhaltig deren Durchbruch einleitete. Und man verstand man unter „Wiener Schule“ nicht nur die leider (vor allem international) so „übliche“ Beschänkung auf Schönberg, Berg und Webern, sondern auch die „Schülergeneration“, und hier (neben Hans Erich Apostel, Leopold Spinner oder Ludwig Zenk) selbstverständlich auch Hanns Eisler.

1958 präsentierte Cerha bei der Brüsseler Weltausstellung Violinwerke der Wiener Schule, ehe er sowohl mit der „reihe“ als auch mit den wichtigsten Orchestern der Welt eine Karriere als Dirigent antrat, bei den namhaftesten Institutionen und Festivals Europas sowie Nord- und Südamerikas Erfolge feierte und zur unangefochtenen Autorität für die Interpretation „moderner“ Musik aufstieg. Zudem unterrichtete er ab 1959 als Lehrbeauftragter sowie 1969–1988 als Professor für „Komposition, Notation und Interpretation neuer Musik“ an der Wiener Akademie (ab 1970 Hochschule) für Musik und darstellende Kunst, daneben war er von 1968 bis 1975 Präsident der österreichischen Sektion der IGNM.

Trotz aller dieser Tätigkeiten war Cerha immer in erster Linie Komponist, und auch hier zählte er bald zu den „Großen“ der internationalen Moderne. Schöpfungen aller Gattungen füllen seine Werkliste, die von den Opern „Baal“ (Salzburger Festspiele 1981), „Der Rattenfänger“ (1987 Graz und Wien), „Der Riese vom Steinfeld“ (Wiener Staatsoper 2002) und „Onkel Präsident“ (Prinzregententheater München 2013), dem „Netzwerk“ (Theater an der Wien 1981), dem Orchesterzyklus „Spiegel I–VII“ sowie zahlreichen weiteren Orchesterwerken und Konzerten angeführt wird; Kammermusik sowie Vokalwerke ergänzen. Und Musikgeschichte schrieb Cerha auch mit der „Herstellung“ des 3. Aktes von Alban Bergs „Lulu“, deren dreiaktige Fassung 1979 in Paris unter Pierre Boulez zur Uraufführung gelangte.

Cerha, der in bildnerischer Tätigkeit (Zeichnungen, Aquarelle, Steinskulpturen) Erholung und Ausgleich fand, wurde durch geradezu unzählige Preise (Großer Österreichischer Staatspreis, „Ernst von Siemens Musikpreis“ u. a.) bzw. Auszeichnungen geehrt, war Ehrendoktor der Universität Siegen sowie Ehrenmitglied von Vereinigungen wie der AKM (der österreichischen Urheberrechtsgesellschaft) oder der Wiener Gesellschaft der Musikfreunde, in deren „Goldenem Saal“ er so manche bedeutende Komposition aus der Taufe hob.

Hartmut Krones