Internationale Hanns Eisler Gesellschaft (IHEG) e.V.

Der treue Freund und die Veränderung der Welt

Erwin Ratz-Ausstellung und Eisler-Konzert in Frankfurt am Main
Ein Beitrag von Frieder Reininghaus

Dr. Hoch’s Konservatorium stellte den Rahmen zu Verfügung: An den Wänden des Engelbert Humperdinck-Saals wurden die großen Tafeln einer im Dezember 2024 bereits für den Eisler-Tag in Wien entwickelten Erwin Ratz-Ausstellung gezeigt. Die Kuratorin Antonia Teibler kommentierte in einer Einführung und am folgen Tag in einem höchst informativen Vortrag das von großen Verwerfungen geprägte Leben und das vielseitige musiktheoretische Schaffen von Erwin Ratz (1898–1973). Nach Studium bei Guido Adler und Arnold Schönberg sowie einem Interludium als Sekretär am Bauhaus in Weimar führte Ratz hauptsächlich auch die väterliche Bäckerei fort. Er legte selbst die Meisterprüfung ab und nutzte als Nazi-Gegner den Betrieb zu vielfältiger Unterstützung von Verfolgten. Als Musiktheoretiker publizierte Ratz vor allem zur Formenlehre – und von der Studienzeit an half er beim Edieren der Werke seines Freundes Hanns Eisler.

Beim Musikprogramm „Ändere die Welt“ reichten die Stühle im Saal nicht aus. Bestritten wurde es ausschließlich mit Werken Hanns Eislers bzw. deren Bearbeitungen. Das Eisler Ensemble Wien und der Akademische Arbeiterliederchor Frankfurt wirkten zusammen. Das Sänger*Innen-Dutzend akzentuierte die politischen Botschaften „aus einer Zeit, die längst vergangen ist“ (Brecht). Da boten sich Appelle und Lehren aus der Geschichte an, die in gesungener Form ungleich konsensfähiger erscheinen als in prosaischem Klartext. Momente unmittelbar aktueller Betroffenheit freilich stellten sich mit einem kleinen Segment aus der im Wesentlichen mit der Zwölf-Ton-Technik komponierten Motette „Gegen den Krieg“ ein. Oder bei der in Erinnerung gerufenen Klage eines großstädtischen Rollfuhrpferdes über das erschreckende Anwachsen der sozialen Kälte („O Fallada, da du hangest“).

Vokale und instrumentale Komponenten verschränkte sich spannungsreich. Ein Trio-Satz aus Eislers Nonett Nr. 2 (1941) und die von Lisanne Altrov und Miki Manabe mit der wünschenswerten Virtuosität auf den Weg gebrachten „Reisesonate“ für Violine und Klavier (entstanden 1937 in Prag, London und der Neuen Welt) rahmten die von den Klarinetten-Soli Theresa Dinkhausers unterbrochene Folge von Vokalstücken aus der „Mutter“-Kantate, der Musik zu Brechts „Maßnahme“ und „Die Rundköpfe und die Spitzköpfe“. Als Chorleiterin hatte Sonja Ebel-Eisa den Chor bestens auf die Nagelprobe vorbereitet. Sie animierte, am Klavier unterstützt von Viola Großbach, konsequent zu engagiertem Singen.

Bei der Aufführung aller historischer Musik stellt sich die Frage nach der „Werktreue“. Im Humperdinck-Saal folgten die Chorist*Innen vorm imposant traditionskonnotierten Orgel-Prospekt den Texten Brechts wortgetreu und unkommentiert, sangen auch allemal die vom Komponisten vorgegebenen Melodien. Umbesetzungen, Oktavierungen und bei den Instrumentalbegleitungen vorgenommene Bearbeitungen dürften nur Radikalpuristen ein Dorn im Ohr sein. Der pragmatisch sinnvolle, auch akademisch konsensfähige Ansatz wurde nicht von Aktualisierungsabsichten beeinträchtigt. Damit positionieren sich Sonja Ebel-Eisa und der Frankfurter Chor im breiten Spektrum der Interpretationsmöglichkeiten eindeutig.